Seltsame Begegnung
Das mir immer wieder die Frage gestellt wird, ob es wirklich Engel gibt, ist keine Seltenheit. Ich weiss, dass es Engel gibt, halt nur nicht in der Form, wie wir sie uns vorstellen, wie sie uns in Büchern beschrieben werden. Es sind auch nicht die Engel, wie ich sie hier in niedlichen Bildern auf meiner Homepage verwende. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass uns immer wieder mal Engel begegnen und zwar in menschlicher Gestalt. Ich denke, es sind Seelen von lieben Verstobenen, die vorübergehend in andere Körper schlüpfen. Meine Überzeugung ist es, dass es unsere lieben Verstorbenen sind, die uns sehr nahe standen. Wann immer wir Hilfe brauchen, weil wir gewisse Aufgaben nicht alleine bewerkstelligen können, kommen sie auf diesem Weg zurück, um uns zu helfen. Sehr oft habe ich es schon erlebt, dass mir Menschen begegneten und gerade dann zur Seite standen, in welcher Form auch immer, wenn ich Hilfe am Nötigsten brauchte, so dass ich im Nachhinein völlig verwundert war, woher diese Menschen plötzlich aus dem Nichts zur rechten Zeit, am rechten Ort bei mir waren. Kommt hinzu, dass ich das Gefühl hatte, das mir diese Menschen irgendwie bekannt vor kamen, vertraut, obwohl sie mir zum ersten Mal begegneten.
Dazu möchte ich folgende wahre Geschichte erzählen:
Mein Lebensgefährte brachte mich nach meinem ersten Besuch bei ihm zu Hause zum Bahnhof. Eine lange Heimreise per Zug lag vor mir. Meinem Lebensgefährten war es aus beruflichen Gründen leider unmöglich mich mit dem Auto nach Hause zu bringen.
Uns trennten immerhin gute 800km und für eine Reise zu mir nach Deutschland mit dem Auto, mussten wir deshalb in jedem Fall für die Hin- und Rückfahrt mindestens zwei Tage einkalkulieren.
Im Zeitalter des ICE ist eine Reise mit dem Zug ohnehin bequemer und nicht so stressig, wie die lange Fahrt auf der Autobahn. Eine gute Zeit noch bevor mein Zug in Richtung Heimat abfuhr, trafen wir schon am Bahnhof einer grossen Stadt ein. Wir suchten in der riesigen Bahnhofshalle, wo es allerlei Geschäfte und Cafés hatte, ein gemütliches Plätzchen auf, um noch ein wenig zusammen zu sitzen und uns in trauter Zweisamkeit allmählich von einander zu verabschieden.
Abschied ist ein bisschen wie sterben… Jeder Abschied ist irgendwie mit Schmerz verbunden und da wir noch recht frisch in unserer Trauer waren, tat dieser Abschied ganz besonders weh. Wir wussten, dass wir uns aufgrund der Entfernung nicht sehr oft sehen konnten und nun im Moment jeder seinen Weg wieder alleine gehen muss.
So sassen wir recht traurig ob unseres bevorstehenden Abschieds bei unserer Tasse Kaffee und plauderten über Gott und die Welt und unser nächstes Wiedersehen in einigen Monaten.
Es herrschte reges Treiben im Bahnhofsgebäude. Reisende aus aller Herrenländer zogen mal eilig, mal gemächlich an uns vorbei.
Plötzlich meinte mein Lebensgefährte:“ Irgendwie ist es doch komisch, schau mal, alle Menschen sind hier in dunkler Kleidung, schwarz, grau, braun. Warum trägt nicht mal jemand ein schönes rotes Kleid oder einen Rock. Irgendwas in roter oder oranger Farbe wäre doch schön, dann sähe es hier auch nicht so trist aus.“
Nun schaute ich mir die Menschen aufmerksamer an und ich dachte, er hat wirklich recht!
Es schien mir irgendwie komisch, dass tatsächlich wirklich alle Reisenden, ohne Ausnahme, nur in dunkler Kleidung im Gebäude umher huschten. Irgendwie hatte ich früher nie so richtig darauf geachtet, wie sich Reisende kleiden.
Ich mutmasste und sagte, dass man sich bei der Kofferschlepperei, bei allem was mit Zugreisen zusammen hängt, vielleicht schneller schmutzig macht und bei dunkler Kleidung fiele es sicher nicht so sehr auf.
„Wenigstens die Frauen könnten doch mal einen schönen bunten Rock tragen und sei es ein dunkles Rot oder wie gesagt orange, so wie man in Modezeitschriften vielmals sieht. Das sind fröhliche Farben und es wäre gleich viel freundlicher als all dieses Schwarz und Grau,“ wiederholte sich mein Lebensgefährte.
Na ja, uns blieb für langes philosophieren jetzt aber keine Zeit mehr, mein Zug war nämlich bereits eingefahren und in einigen Minuten ging meine Reise los.
So eilten wir mit meinen schweren Koffern zum Zug. Mein Lebensgefährte schleppte sie und meinte, er wünsche mir einen netten jungen, sportlichen und starken Mann als Begleitung im Zug, der mir mit den schweren Koffern helfe.
Trotzig antwortete ich, dass ich keinen jungen Mann brauche, ich werde es schon irgendwie alleine schaffen, zumal ich wusste, dass ich an meinem Heimatort von meinem Schwager am Bahnhof abgeholt wurde.
Sehr traurig verabschiedeten wir uns voneinander. Die Zugtür schloss sich bald und mein Zug rollte eiligst aus dem Bahnhof und somit Kilometer für Kilometer in meine, um mich herum einsam gewordene und kalte Heimat zurück.
Ich hatte einen Sitzplatz am Fenster. Der Zug war ziemlich leer, ich hatte keinen Sitznachbarn neben mir. Ich starrte tieftraurig aus dem Fenster und hatte das Gefühl, dieser Schmerz des Abschieds würde mich jeden Moment zerreissen. Mein Herz war umso schwerer, als ich daran dachte, dass auch mein Lebensgefährte wieder allein in sein Haus zurück kehrt, wo die Trauer noch immer alles überwog und dass Leben bestimmte. Es ging meinem Lebensgefährten damals nicht viel anders als mir. Er blieb mit Tränen in den Augen am Bahnsteig allein zurück und ich sass nun im Zug.
Sicher, er musste heim und stark sein, für seine beiden Kinder, die ihn nun mehr denn je brauchten, nachdem sie ihre geliebte Mama verloren hatten als sie sich noch in einem prägenden Alter befanden.
Meine Gedanken über all dieses und obendrein die Erinnerung, dass ich in ein Zuhause zurück kehre, wo kein Mensch mehr auf mich wartete, wo alles so kalt und leer ohne meinen über alles geliebten, verstorbenen Mann war, liessen mich in Tränen aufgelöst zum Fenster hinaus starren.
Ohne die wunderschöne Landschaft, die an mir vorbei zog, wahrzunehmen setze ich mit dem Zug meine Reise fort.
Mein Schwager würde mich am Bahnhof abholen und zu meiner Wohnung fahren. Wenn meine Wohnungstür nach meiner Heimkehr wieder ins Schloss fallen würde, dann, so wusste ich ja, war ich mit mir und meiner Trauer, wieder ganz allein.
Zur damaligen Zeit hatte ich meine Erfahrungen mit meinen Angehörigen bereits gesammelt und ich hatte inzwischen gelernt, dass sie nicht alle gleich mit MEINER Trauer umzugehen verstanden. Es tat mir sehr weh, aber sie konnten ja nicht in mich hinein sehen und nicht wissen, wie es dort in mir drin wirklich aussah.
die Menschen in meinem Umfeld glaubten vermutlich, wir trauern allesamt gleichermassen, zumindest gaben sie mir das Gefühl und den Eindruck durch ihr Verhalten mir gegenüber. Quälende Gedanken daran und tiefste Traurigkeit hatten mich nun in meinem Zug während der Heimreise fest ergriffen.
Die Landschaft zog an mir vorbei und konnte nicht im Geringsten mein Interesse wecken. So war es schon bei meinem Besuch in der Schweiz, ich nahm die mich umgebende wunderschöne Landschaft dort gar nicht wahr. Die Gefühle der noch ganz frischen Trauer und dennoch dieses Gefühl des "Erwachens zu einem neuen Leben", liessen keinen Raum für einen Blick oder das Wahrnehmen einer wunderschönen Landschaft.
So war es jetzt auch im Zug. Es ging über Berg und Tal, über Brücken und durch lange Tunnel und nach gar nicht allzu langer Zeit hielt der Zug am nächsten Bahnhof an.
Mein Tränenfluss war versiegt, aber schmerzhafte Trauer hielt mich vollkommen gefangen.
Einige von den wenigen Mitreisenden meines Abteils stiegen nun am Bahnhof aus, so wurde es noch leerer. Es gab nur noch ein älteres Ehepaar, welches nebst mir im Abteil verblieb.
Der Zug war schon im Anrollen, da kam eine Frau mittleren Alters an meine Sitzbank und sagte, sie möchte sich neben mich setzen.
Ich war irgendwie perplex und dachte, sie könnte sich auch wo anders hinsetzen. Das Abteil war doch so gut wie leer und sie schien mir zudem auch noch irgendwie zielich aufdringlich. Warum wollte sie ausgerechnet bei mir sitzen?
Genervt und ohne weitere Wiederworte rutschte ich mechanisch auf den Sitzplatz direkt am Gang und stellte ihr meinen gebuchten Fensterplatz zur Verfügung. Am Gang standen meine Koffer, die ich nicht in die Gepäckablage hieven konnte, aber im Auge behalten wollte.
Irgendwie fühlte ich mich etwas benommen, aber das kam sicherlich von meiner Heulerei.
Die Frau sass nun neben mir und plauderte einfach sehr vertraut und fröhlich drauf los und tat so, als träfe sie in mir eine alte Bekannte wieder.
Sie redete vom Wetter, vom Treiben am Bahnhof und lauter belangloses Kram.
Es schien, als versuche sie mein Vertrauen zu gewinnen, aber da war sie bei mir an der falschen Adresse.
Mir war ohnehin absolut nicht nach einer Unterhaltung zu Mute.
Ich war in meiner Seele traurig und deshalb voller Schmerz, ich wollte jetzt einfach nur meine Ruhe haben. Die Frau schien das zwar zu bemerken, liess sich aber überhaupt nicht davon beeindrucken oder beirren, um unbefangen und ungeniert weiterhin auf mich einzureden.
Der Höfflichkeit halber gab ich nur sehr knappe Kommentare und schaute immer wieder an ihr vorbei zum Fenster raus.
Plötzlich stand sie auf und begann unwirsch und wild ihre Kleider zu ordnen. Dabei schlug sie mir fast ihren Schal ins Gesicht. Das war doch wohl unmöglich von dieser Person!!!
Es war mir so, als täte sie dies mit voller Absicht. Ich fand ihr Verhalten echt völlig unmöglich und bin innerlich vor Wut fast geplatzt.
Sie lächelte mich ungeniert dabei an, aber wie! Ihr Lächeln hörte nicht auf und mit eindringlichem Blick haftete sie fest in meinem Gesicht. Ich bekam den Eindruck, als wollte sie mich auf ihre Kleidung aufmerksam machen.
Sie zottelte nämlich so lange und richtig heftig an sich herum, bis ich sie von oben bis unten anschaute, anschauen musste. Ich war von dieser Frau richtig genervt.
Na ja, dachte ich so bei mir, sie ist ja irgendwie auch eigenartig und seltsam, aber nichtsdestotrotz interessant gekleidet.Sie hat ihren ganz eigenen Kleidugsstil, mehr fiel mir zunächst nicht bewusst auf.
Auf einmal fasste sie mir wie eine gute Freundin auf die Schulter und sagte, sie finde es sehr toll was ich mache. Ich überlegte und sagte schliesslich, dass es meine erste Zugreise so ganz allein sei. Mein Mann sei vor noch nicht allzu langer Zeit verstorben und ich hätte einen Freund in der Schweiz, den ich besucht habe. „Sie sind wirklich sehr mutig und sie werden alles schaffen, auch wenn ihr Weg noch schwer sein wird. Achten sie nur darauf, was ihr Herz ihnen sagt und nicht was die Menschen um sie herum reden.
Ich gratuliere ihnen, zu ihrer Entscheidung."
(Ich konnte nicht einordnen, was sie genau meinte. Sie laberte und laberte und es kam mir vor als schien sie sehr viel über mich zu wissen.... aber woher??? Sie war mir plötzlich richtig unheimlich).
"Das mit den Kindern werden sie auch schaffen", meinte sie.
Ich nahm ihre Worte deutlich auf, aber sie klangen seltsam, irgendwie wie von weit her.
Neugierig geworden fragte ich sie, ob ihre Reise sie weit von zu Hause fort führte.
Da erzählte sie mir, dass sie auf der Rückreise von einem Kurzurlaub sei. Sie sei Psychologin und arbeite speziell mit Trauernden. Es sei für sie auch nach Jahren emotionell noch immer eine grosse Herausforderung. Sie selbst habe bereits mehrere ihr sehr nahestehende Familienangehörige durch frühzeitigen Tod aufgrund von Krankheit verloren. Sie wisse also nicht nur aus beruflichen Gründen, wie es in mir aussieht, sondern auch aus eigener Erfahrung.
Wir fuhren in den Bahnhof ihres Heimatortes ein und sie verabschiedete sich von mir, als sei sie wirklich eine meiner besten Freundinnen, mit einer leichten Umarmung. „Denken sie an mich und glauben sie immer an sich. Es wird alles noch mal gut werden, sie müssen nur auf ihr Herz hören.“
Ihre Worte drangen tief in mich hinein und begleiteten mich noch den ganzen Tag. Was sollte dieses Gerede? War sie vielleicht eine durchgeknallte Frau?
(Damals hatte ich noch überhaupt keine Ahnung, wie mein Leben einmal weiter geht.)
Diese Frau erweckte jedenfalls ein seltsames Gefühl in mir. Ja, als sei ich plötzlich umgewandelt hinterliess diese Frau irgendwie auch etwas Friedliches und dennoch blieb auch so etwas wie Verwunderung bei mir zurück.
Vor allem kam ich nicht damit klar, dass sie das mit den Kindern sagte. Meines Wissens hatte ich ihr doch gar nichts von den Kindern meines Lebensgefährten erzählt.
Genau wie ihr Gesicht mit dem ununterbrochenem Lächeln, tauchten ihre Worte hier und da während des ganzen Tages immer wieder mal wie ein Flashback auf.
Kaum war sie aus dem Abteil verschwunden kam ein junger Mann auf meine Sitzbank zu.
Er fragte, ob er Platz nehmen dürfe, obwohl diese Frage nur eine Floskel zu sein schien, denn er war schon im Begriff sich nieder zu lassen.
Ich sagte ziemlich unhöflich und unwirsch, dass doch überall freie Plätze seien und er sich nicht unbedingt neben mich setzen muss, weil es dann recht eng werden würde. Mit einem breitem Grinsen erwiderte er, dass er aber genau hier seinen gebuchten Platz hätte und deshalb neben mir sitzen werde.
Ich stand auf und wollte ihm den Fensterplatz überlassen, denn es wäre sein für ihn reservierter Platz gewesen.
Doch mit einer Bestimmung in der Stimme, die keinen Widerspruch duldete sagte er: “Nein, der Fensterplatz gehört ihnen, ich möchte, dass sie ihn behalten und sich die Landschaft anschauen. Geniessen sie ihre Reise einfach und entspannen sie sich. Wenn sie mit mir reden möchten, scheuen sie sich nicht mich anzusprechen und wenn nicht, ich kann auch gut schweigen.“ Verblüfft sah ich ihn an und rutschte kommentarlos hinüber auf meinen Fensterplatz. Mir fielen meine Koffer ein, ich schaute stumm nach ihnen. Der Mann stand auf, als könne er meine Gedanken lesen und sagte:“ Machen sie sich keine Sorgen, ihre Koffer stelle ich hoch in die Kofferablage“. Auf meine Erklärung, dass ich das nicht möchte, weil die Koffer sicherlich zu schwer für ihn seien, ich sie ja auch von dort oben wieder runter heben muss, argumentierte er nur mit einem frechen Lächeln, dass er schliesslich ein junger, kräftiger und sportlicher Mann sei. Er würde mir mit den Koffern schon helfen. Ehe ich mich versah, waren die Koffer über uns in der Gepäckablage deponiert. Wenn ich ihn kurz vor meiner Ankunft bescheid sagen würde, gibt er mir die Koffer zeitig wieder.
Der Mann redete in nettem Tonfall mit sanfter, ruhiger Stimme und seinem breiten Lachen auf mich ein.
Er plauderte schliesslich über Gott und die Welt und tat so, als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen. Ich gab mich kurz und wortkarg in der Unterhaltung, was er zu bemerken schien, denn er lehnte sich in seinem Sitz zurück, schloss die Augen und sagte:“ Machen sie sich keine Sorgen, ich bin hier, sie können reden mit mir, wann immer sie wollen und wenn ihnen nicht nach reden zu Mute ist, lassen sie mich, wie ich schon sagte, nur zeitig wissen, wann ich ihre Koffer aus der Gepäckablage holen soll. Wenn sie nicht mit mir reden, müssen sie in Kauf nehmen, dass ich einschlafe und ihnen etwas vorschnarche.
So fuhren wir schweigend im Zug weiter. Natürlich bemerkte ich, dass er mich hin und wieder aus halbgeöffneten Augen anschielte und mich richtig beobachtete. Ich tat aber ganz eifrig so, als würde ich in Broschüren und Büchern studieren und nichts bemerken.
Irgendwann war die Zeit da, dass ich mich zum Aussteigen vorbereiten musste, also auch meine Koffer brauchte.
Vorsichtig sprach ich den Herrn an und schneller als ich vermutete, holte er meine Koffer aus der Gepäckablage. Ich wollte sie entgegen nehmen, doch das liess er nicht zu. Er schleppte sie für mich durch den Gang bis hin zur Ausgangstür. Er verabschiedete sich sogar mit einem Händedruck, ( ich konnte gar nicht so schnell begreifen, wie er meine Hand nahm). Er wünschte mir alles Gute und blieb aber noch einen Moment bei mir stehen.
Ich fand sein Verhalten äusserst merkwürdig, so geht man doch nicht als Wildfremde mit einander um, dachte ich.
Derweil er da so stand rückte ich, irgendwie aus lauter Verlegenheit, meine Koffer zurecht.
Ich hob den grössten und schwersten Koffer in die Höhe, liess ihn aber sofort wieder fallen, weil er mir zu viel schwer war und er knallte dem netten Herren dabei mit voller Wucht genau auf den rechten Fuss. Mensch war mir das peinlich!!! Dieser lachte einfach nur richtig herzlich und heftig und sagte voller Ironie und Freude: „Ach so, dass ist jetzt ihr Dankeschön? Das ist sehr nett von ihnen! Na ja, was anderes habe ich auch nicht von ihnen erwartet, das sind eben sie, das ist so typisch, das wären ja sonst nicht sie.“
Seine Worte waren wirklich irgendwie gelassen und trotzdem fröhlich, richtig belustigt sah er zudem dabei auch noch aus. Doch seine Worte durchzuckten meinen Körper wie ein Blitz- oder Stromschlag und ich kann sogar noch heute diese fast unheimliche Situation spüren. Mir lief ein wahrer Schauer über den Rücken, denn niemand hatte dieses „Das ist typisch, das wären sonst nicht sie….“ je gesagt.
Aber es gab einmal jemanden, der immer wieder seine helle Freude, seinen Spass an meiner Tollpatschigkeit hatte, genau so, wie jetzt dieser Mann im Zug!
Es war einst mein geliebter, verstorbener Mann, der genau diese Worte zu mir in bestimmten Situationen sagte. Wann immer mir ein dummes Missgeschick passierte, lachte er in liebevoller Weise und sagte mit schelmischen Lachen: "Ach, Nati, das ist doch typisch, dass wärst doch sonst nicht du.“
Diesen Satz hatte niemals jemand anderes sonst zu mir gesagt. Wehmut kam wieder in mir auf und ich kämpfte mit Tränen.
Ausgerechnet jetzt im Zug sagte es der junge Mann. Er sagte es in der Art wie früher mein Mann!
Und überhaupt, dieser Mann im Zug kannte mich doch gar nicht, nur gerade eben von dem Stück des Weges, unserer kurzen, gemeinsamen Reise.
An meinem Zielort angekommen, erwartete mich mein Schwager bereits am Bahnsteig.
Inzwischen war es Abend geworden und die Nacht kündigte sich mit der Dämmerung an.
Mein Schwager fuhr mich zu meiner Wohnung, wir verabschiedeten uns und mich umgab die Einsamkeit in meiner Wohnung.
Von der Reise sehr müde, ging ich auch schon bald zu Bett.
Erschöpft fiel ich ziemlich schnell in einen tiefen Schlaf und träumte wirres Zeug.
Im Traum erschien mir diese Frau aus dem Zug wieder. Ich erlebte noch einmal, wie sie unentwegt lächelte und sie warf dabei wieder ihren Schal um die Schultern und schleuderte ihn mir beinahe wieder ins Gesicht. Alles schien genau gleich wie es im Zug geschah!
Dann kam der junge Mann aus dem Zug auch noch dazu und ich sah, dass sich die beiden sehr gut kannten. Im Traum fiel mir auf, dass ihr beider Lachen absolut identisch war.
Sie sahen mich beide liebevoll an, als wollten sie mich in irgendeiner Form trösten und mir etwas sagen. Mir wurde ganz warm, ich erwachte erschrocken aus dem Schlaf, weil ich die Stimme meines Mannes noch im Halbschlaf hörte.
Er sprach beruhigend zu mir und sagte, dass er mir doch versprochen hätte, dass er immer bei mir wäre, auch wenn ich ihn nicht sehen könne.
Mensch, ich war so was von erschrocken, aufgeregt und mit einem Male war ich hell wach!
Ich sprang mit zittrigen Beinen aus dem Bett und die Situationen aus dem Zug waren noch immer glasklar vor meinem geistigen Auge.
Es stimmte, mein Mann hinterlies mir einen Abschiedsbrief, indem er mir sagte, dass er immer bei mir sein würde, auch wenn ich ihn nicht sehen kann.
Er wusste wohl bereits beim Schreiben seines letzten Briefes an mich, dass er sterben wird und hinterlegte diesen traurigen, aber liebevollen Brief für mich, den ich kurz nach seinem Tod fand.
Durch diese Träumerei hatte ich seltsame, fast unheimliche Gefühle in mir, irgendwie umklammerten sie mich total.
Plötzlich fiel mir auch glasklar ein, was ich im Zug nur grade so nebenbei registrierte:
Die Frau, im Zug hatte einen dunkelroten Rock an, einen dunkel-orangen Pullover, eine weinrote Jacke und einen karierten Schal in genau den gleichen Farben, wie Rock und Pullover!!!
Der junge Mann: Er war tatsächlich kräftig und sportlich!!!
Mensch, das waren doch haargenau die Personen, die mein Lebensgefährte mir unmittelbar vor der Abreise gewünscht oder beschrieben hatte!!!
Das gab es doch wohl nicht!!! Das ist doch unglaublich!!!
Gibt es so etwas wirklich???
Ich habe das wirklich erlebt!!!
Na ja, eine Frau hat mein Lebensgefährte nicht beschrieben.
Aber ihre Kleidung, jedenfalls die Farben. Er fragte doch am Bahnhof, warum nicht mal jemand in rot oder orange gekleidet ist…
Ich war in totaler Aufregung! Ich rief sofort meinen Lebensgefährten (damals noch, heute ist er mein inzwischen Mann) an und schilderte ihm die ganze Geschichte.
Ich war derart fassungslos und erstaunt, dass ich Mühe hatte mein Erlebnis im richtigen Ablauf wieder zu geben. Ja, auch er war höchst erstaunt und konnte wohl kaum glauben, was ich ihm erzählte.
Meine Güte, so eine Geschichte… !!!
Zufall??? Nein, es gibt keine Zufälle.
Ich bin heute noch immer überzeugt, dass es Engel in menschlicher Gestalt waren, die mir, wer auch immer geschickt hat, um mir in meiner Not und Traurigkeit beizustehen.
Natürlich kann ich nicht beweisen, dass es Engel waren, die mir im Zug begegnet sind, aber ich bin davon überzeugt!
Und kein Wissenschaftler der Welt könnte mir das Gegenteil beweisen.
Glaube wer will und was er will, ich weiss, was ich im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte erlebt habe.
Wie dem auch sei, wieder einmal muss ich sagen:
Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als wie wir auch nur annähernd ahnen können. Und ich finde es gut, dass wir nicht alles wissen, was zwischen Himmel und Erde tatsächlich vor sich geht, was alles geschieht.
Wir müssen frei sein und es zu lassen.
In diesem Sinne
Herzlichst Nati Merlin