Trauer und Trauernde – über den Umgang mit Trauernden
 
Zur Zeit meiner tiefsten Trauer ist mir zusätzlich, zum kaum ertragbaren Schmerz der Trauer, sehr viel Unrecht und Leid von manchen Freunden und lieben Angehörigen zugefügt worden. Aus heutiger Sicht ist mir klar, dass sie nicht das Verständnis für mich aufbringen konnten oder gar aufbringen wollten, dessen es dringend gebraucht hätte, um mir Halt, Trost und vielleicht sogar ein wenig Kraft in meiner Trauer zu geben. Es fühlte sich damals so an, als würde man eine schmerzende und eitrige Wunde meines Körpers zusätzlich mit einem stumpfen Gegenstand attackieren. Das tat mir sehr, sehr weh. Unglaublich, wie verachtend und rücksichtslos manche Menschen mit mir in meiner Trauer umgegangen sind!  Insbesondere Menschen, die mir in meinem früheren Leben einmal sehr viel bedeuteten. Sie begegneten mir in meiner Trauer zu Beginn recht fürsorglich und liebevoll, doch schon nach kürzester Zeit wurden von mir Dinge verlangt, denen ich in meinem schmerz nicht gewachsen war. Ich hatte nach nur wenigen Wochen gefälligst „die Alte“ zu sein und so zu funktionieren, wie man es sich vorstellte. Schliesslich haben schon viele Frauen ihren Mann verloren. Einige Familienangehörige begegneten mir mit Unverständnis, Belehrungen und Anklage, anstatt mich in meiner Trauer so anzunehmen, wie ich war, nur das wäre mir hilfreich gewesen. Sicher hat mich die Trauer um meinen geliebten Mann sehr verändert. Doch wie konnte ich nach dem Tod meines Mannes auch noch die gleiche Person sein die ich MIT meinen Mann war?
 
Heute weiss ich, dass jene, die mir zusätzlich grosses Leid zufügten, sich wahrscheinlich gar nicht bewusst waren, was sie mir angetan haben. Sie beriefen sich in ihrem Tun und Handeln zusätzlich darauf, dass sie schliesslich auch trauern und mir nur helfen wollen. Sicher haben sie getrauert, jeder auf seine Art, doch ihren überalles geliebten Mann hatte damals in jener Zeit nur eine Person in der Familie verloren und das war ich!
 
Ich habe inzwischen begriffen, dass nur Menschen in ähnlicher Situation, die Sprache und das Verhalten Trauernder verstehen. Leider wird jeder Mensch die bittere Erfahrung machen müssen, dass ihm ein geliebter Mensch von der Seite gerissen wird und damit die grösste Katastrophe in seinem Leben stattfindet. Nichts wird dann jemals wieder so sein, wie es einmal gewesen ist.
Und trotzdem, nach einer Zeit der Trauer, die ganz individuell von Mensch zu Mensch verschieden lang dauert, kann das Leben wieder wunderschön werden. Trauernde brauchen Zeit, viel Zeit und liebevolles Verständnis!
 
Irgendwann in meiner damaligen Trauer schenkte mir jemand einen, wie ich fand, interessanten Brief von Erika Bodner. Ein Brief, der sich ursprünglich auf die Trauer um ein Kind bezog. Er sagt aber genau das aus, was alle betrifft, die  irgendwann einmal um einen sehr nahestehenden, geliebten Menschen trauern. Ich habe diesem Brief  mit nur wenigen Sätzen geändert und möchte ihn hier auf meine HP nehmen, um alle Menschen im Umgang mit Trauernden zu mehr Sensibilität, Rücksicht und Verständnis zu bitten, aber vielleicht um Denkanstösse und auch eine kleine Hilfe im Umgang mit Trauernden zu geben…
 
Hier nun der Text in von mir an einigen Stellen leicht veränderter Weise
von Erika Bodner:
 
Liebe Mitmenschen,
nehmt uns Trauernde an, so wie wir nun in unserer Trauer geworden sind. Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos.
Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben.
Wir haben so wenig Kraft, um Wiederstand zu leisten. Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann, so zu gehen, wie wir uns dabei fühlen.
Drängt uns nicht, so zu sein wie wir früher waren. Wir können es nicht, denn der Schmerz in uns bestimmt unseren Weg, unser Dasein, unser Denken und unser Handeln. Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind. Lasst Euch sagen, dass wir uns selbst fremd geworden sind. Der Schmerz in uns ist schier unerträglich und macht uns vielleicht blind und manchmal auch ungerecht. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Das ist die Sprache der Trauer. Habt bitte Geduld mit uns. Wir wissen, dass wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen, dass Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken und Leiden seht und dass wir Euch mit Leid konfrontieren, das Ihr gerne vermeiden möchtet weil in einer Welt voller bunter Farben, Glück und Harmonie kein trauriger und weinender Mensch mit seiner Trauer passt.
Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres eigenen Lebens stellen. Wir haben die Sicherheit und alles woran wir glaubten verloren, alles das, worin Ihr noch lebt. Euer Alltag hat sich nicht verändert.
Ihr haltet uns entgegen: Wir haben auch Kummer und Sorgen.
Doch wenn wir Euch fragen, ob Ihr UNSER Schicksal tragen möchtet,
erschreckt Ihr. Aber verzeiht: Unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen, dass es viele Arten von Schmerz gibt.
Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer es uns fällt unsere Gedanken zu sammeln.
Vieles, was wir hören verletzt uns mehr,
als ihr auch nur annähernd ahnen könnt.
Wir hören Euch zu, aber unsere Gedanken schweifen immer wieder ab.
Nehmt es an, wenn wir von unserer Trauer zu sprechen beginnen, ertragt bitte unsere Tränen. Wir tun nur das, was in uns drängt. Zerstört nicht unser Bild über den Menschen, den wir verloren haben. Glaubt uns: Wir brauchen es so sehr.
Versucht, Euch ein wenig in uns einzufühlen. Urteilt nicht über uns Trauernde, denn ihr werdet uns erst dann verstehen, wenn ihr selbst betroffen und in unserer Situation seid. Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst, gebt uns genügend Zeit dazu. Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden, auch wenn wir nie wieder so wie früher sein werden, vor unserem Verlust. Euer Zutrauen stärkt uns auf unserem Weg. Jetzt aber zwingt uns nicht mit Worten und Blicken, unsere Trauer zu leugnen. Nehmt uns bitte so an, wie wir sind, wir brauchen es, um unseren schweren Weg gehen zu können. Vergesst nicht, wir müssen so vieles von neuem lernen. Unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert. Wenn wir es geschafft haben unser Schicksal anzunehmen, werden wir Euch freier begegnen.
Bleibt bitte trotzdem an unserer Seite, schenkt uns eure Schulter zum Anlehnen, haltet schweigend unsere Hand, seit einfach nur da für uns. Wir brauchen euch mehr denn je zuvor. Euer Verständnis ist unser Halt und Trost. Lernt von uns. Für Euer eigenes Leben.
 
( Merlin / Erika Bodner)
 
 
 
 
 

(www.dreamies.de)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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