Erinnerungen und
ein gestohlenes Auto
 
Besonders durch unsere Trauer werden immer wieder Erinnerungen lebendig, die uns für immer mit unseren lieben Verstorbenen verbinden. Zum Glück haben wir diese Erinnerungen. Jean Paul sagte einmal:“Die Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Es gibt Erinnerungen des Schmerzes, aber auch der Freude und der schönen Zeiten, die wir gemeinsam mit ihnen verbrachten. Vielleicht gerade auch solche Erinnerungen, die uns noch heute ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Nun möchte ich eine Geschichte erzählen, die bei mir noch immer ein kleines Schmunzeln auslöst. Aber auch der schmunzelnde Gesichtsausdruck und die Fröhlichkeit meines geliebten Mannes werden vor meinem geistigen Auge mit dieser Geschichte wieder so richtig lebendig.
 
(Zuvor sollte ich aber ein wenig von mir erzählen, zum besseren Verständnis...)
 
Nichts brachte meinen Mann mehr zum Lachen, natürlich vielmals auch uns beide gemeinsam, als wenn ich mal wieder Opfer eines vermeidbaren Missgeschickes wurde. Meine Missgeschicke wurden verursacht, durch meine eigene Zerstreutheit. Besser gesagt, weil sich meine Gedanken immer mit, wie ich stets glaubte, wichtigeren Dingen befassten, als mit manch unwesentlichem "Kleinkram". Kurz gesagt, weil ich nicht immer bei der Sache war, mit der ich mich eigentlich zu beschäftigen hatte! Schon als Kind bekam ich deshalb oft Schellte von meinem Vater. Er sagte immer:" Mensch, Merlin, bleib doch einmal mit deinen Gedanken hier auf der Erde, immer schwirrst Du in irgendwelchen anderen Gefilden herum, dadurch passiert dann sowas..."
Ach ja, ich philosophierte halt sehr gerne über alles und jedes, dass bin einfach ich und das wird sich wohl nie ändern... Früher musste ich immer alles, was mich wunderte oder interessierte, geistig „auseinanderpflücken“ und das "Wenn und Aber" herausfinden. Glauben tat ich nur wenig, was mir vorerzählt wurde, es brauchte meine eigene Untersuchung und Überzeugung. Mein Motto war immer, das es viele Wahrheiten geben könnte, sie nur noch nicht alle entdeckt wurden - so gab es doch allerhand für mich herauszufinden! Als Kind glaubte ich jedenfalls daran. Und ich war überzeugt, dass ich einmal vieles aufdecken und entdecken würde. Für meinen Mann war ich später dann immer der zerstreute Professor oder er nannte mich sein wandelndes Lexikon...seine Frau, das unbekannte Wesen. Er meinte das immer sehr liebevoll und schenkte mir mit seinen Namen für mich, stets ein liebevolles warmes Lächeln. Immer wieder sagte er, dass er so richtig stolz sei auf „seine Nati“. Mein Mann liebte den Querdenker  in mir und unterstützte mich immer wieder in meinen Gedankengängen. Wir beide diskutierten über Gott und die Welt, und das oft viele Nächte hindurch, bis das Tageslicht uns signalisierte, dass die Nacht zu Ende geht. Er wusste, dass ich zwar mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt sein konnte, aber geistig nicht wirklich bei der Sache war. Logisch, das hatte dann ungewollte "Missgeschicke" zur Folge. Darum kam es nicht selten vor, dass ich Gott und die reale Welt um mich herum vergaß, weil ich gerade in eine andere Welt eingetaucht war. Was gibt es Schöneres, als dem Alltag zu entfliehen? Dieses „geistige Abtauchen“ hat zudem noch einen tollen Nebeneffekt: unangenehme Arbeiten gehen viel schneller von der Hand, weil man ja nicht drüber nachdenkt und manches Mal trägt es dazu bei, dass die Zeit viel schneller vergeht.
 
Und so war es auch an einem Sommertag, vor einigen Jahren...
Damals arbeitete ich in einem Geschäfte als Verkäuferin. Wenn mein Chef aus welchen Gründen auch immer, abwesend war, übergab er mir seine Vertretung. So auch an jenem besagten Tag...
Meine Tätigkeit begann um 8.00Uhr morgens, damit mir genügend Zeit blieb, alles zur täglichen Geschäftsöffnung um 9.00 Uhr vorzubereiten.
In der Mittagspause, die immer von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr stattfand, wurde unser Geschäft geschlossen. Ich fuhr dann nach Hause, um mich ein wenig auszuruhen und neue Kraft zu schöpfen. Dazu gehörte damals an erster Stelle meine „Schreiberei“, darin fand ich meine schönste Erholung und Kraftquelle.
An besagtem Tag, in der Mittagspause zu Hause angekommen, setzte ich mich sofort an den Schreibtisch um einen meiner "genialen" Gedanken zu Papier zu bringen. Irgendwann würde ich bestimmt ein Buch schreiben, Manuskripte häuften sich ja überall... Zettelwirtschaft und Papeirkram überall um mich herum...
Ich schrieb und schrieb in dieser Mittagspause, von einer Faszination meiner eigenen Gedanken gefesselt und vergaß buchstäblich Zeit und Raum. Diejenigen, die diese Geschichte lesen und selbst Geschichten oder was immer zu Papier bringen, werden nachempfinden können, wie einem die Zeit davon läuft, wenn man seinen Gedanken in der Schreiberei freien Lauf lässt.
Irgendwann schaute ich aber doch zur Uhr und ich erschrak! Meine Güte, das konnte doch wohl kaum wahr sein! Schon so spät! Viel zu spät! Die Mittagspause war zu Ende, es war schon kurz vor drei Uhr nachmittags. Nun aber nix wie los, ich sollte doch längst schon den Laden aufschließen. Ich ließ alles stehen und liegen und eilte zu meinem Auto. Ruck zuck musste es jetzt gehen! In größter Eile fuhr ich vom Hof, war total gehetzt, mochte gar nicht mehr zur Uhr schauen. Na klar... und dann das ...  na super!!!  Wie immer, wenn man es besonders weilig hat...Gerade war ich aus der Ortschaft heraus, hatte ich einen Trecker vor mir!!! Und das im absoluten Überholverbot! Dann folgten auch noch diese Haarnadelkurven!!! Also  den Trecker zu überholen, dazu hatte ich vorerst überhaupt keine Chance. Die Zeit lief mir davon, aber ich musste jetzt Ruhe bewahren, komme was wolle - so mahnte ich mich selbst. Hektik bringt erhöhtes Risiko, dass half nun niemandem und am wenigsten mir. Irgendwie kommt man ja immer ans Ziel und so war ich irgendwie, irgendwann schlussendlich auch fast dort, wo ich dringendst sein sollte. Jetzt musste ich noch rasch meinen Parkplatz ansteuern, dann war es geschafft. Wer sagt es denn… Immer mit der Ruhe, dachte ich so bei mir.
Zielgerade bog ich in die Straße gegenüber dem Geschäft ein, um "meinem" Parkplatz anzusteuern.
Och, so ein  Mist......!!!  Das gab es doch wohl nicht!!! Besetzt ...!!! Gibt’s doch gar nicht...!!!! Ausgerechnet jetzt!!! Parke seit Monaten tagtäglich dort und nun das.... Shit...!!!!! ...Was nun...??? Du meine Güte...! Es war doch schon sooo spät...! Verdammter Mist...!!! ...Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste mir einen anderen Stellplatz suchen, dass hieß aber einen gewaltigen Umweg machen. Es half kein Verzweifeln und kein Schimpfen, Fluchen schon gar nicht. Also fuhr ich wieder auf die Hauptstraße zurück, nahm diesen Umweg in Kauf, um in der Nähe des Geschäftes parken zu können. Und ich fand tatsächlich einen guten Platz für mein liebes kleines Auto! Hach, Glück im Unglück, wer sagt's denn? Einen besseren Ersatzplatz konnte ich  nicht finden als diesen. Jeep, ich parkte direkt beim Chef vor der Tür...!!! Das war die geniale Idee, hier nachzuschauen, ob es einen Parkplatz hat. Es ist nicht weit...nur ums Haus rum und ich bin am Geschäft...super geklappt – sage doch: “In der Ruhe liegt die Kraft!“
Nun schnell das Auto abgestellt, im Sturzflug zur Ladentür gerannt, wo mich meine Kollegin und auch die ersten Kunden schon ziemlich missmutig erwarteten.
Ich entschuldigte mich mit irgendwelchen erfundenen Autoproblemen und schloss die Ladentür auf. Nö, dass ich zu spät vom Schreibtisch zu Hause los kam, mussten sie ja nicht wissen, wer würde das auch verstehen? Aber, was stressig beginnt, geht dann oftmals auch stressig weiter. So war es...der ganze Nachmittag im Geschäft war derart stressig, dass ich kaum dazu kam, eine dringende Warenbestellung aufzunehmen. Dauernd „nervten“ irgendwelche Kunden mit unnötigem Kleinkram. Sie hatten dem Anschein nach alle Zeit der Welt und genossen den Sommertag mit einem Einkaufsbummel. Nur ich, ich hatte keine Zeit, es gab so viel zu erledigen im Geschäft und ich hatte sooo viel an meine angefangene Geschichte zu Hause auf dem Schreibtisch zu denken. Na ja, damit verschaffte ich mir natürlich zusätzlichen Stress. Und man muss dabei IMMER lächeln und freundlich bleiben, egal wie groß der Druck auch ist, der Kunde ist halt König. Immer dachte ich darüber nach, wie ich die begonnene Geschichte zu Hause fortsetzen wollte/sollte. Ich lebte in Gedanken mehr in meiner Geschichte, als bei meiner Arbeit im Geschäft. Hoffentlich verging die Zeit im Laden nur recht schnell, damit ich sofort wieder an mein Schriftstück zu Hause zurück konnte. Irgendwie verging dann der Nachmittag tatsächlich schnell und schon bald ging es auf den Feierabend zu. Ich machte noch fix die Kassenabrechnung und Buchführung, damit alles seine Ordnung hatte und der Tag abgeschlossen werden konnte. Meine Kollegin bediente derweil die letzte Kundschaft und räumte auf. Dann besprachen wir kurz die Vorkommnisse des vergangenen Tages und begaben uns zur Tür. Wir verließen immer gemeinsam das Geschäft, so war es natürlich auch an diesem Abend. Fröhlich plaudernd zogen wir über die Straße zu unserem Parkplatz, denn irgendwie ging es im Geschäft und mit den Kunden auch immer wieder mal lustig zu, so dass wir viel zu lachen und zu diskutieren hatten. Jetzt aber hiess es für mich, nichts wie ab nach Hause und meine tolle Geschichte zu Ende schreiben!  Meine Kollegin war bereits an ihrem Auto angekommen, meines stand ja gewöhnlich ein paar Meter weiter unter dem Parkplatz ihres Autos, so hatte ich noch ein kleines Stück zu gehen. Plötzlich traf mich ein Blitzschlag...Mensch, was war das denn jetzt.......mein Herz drohte zu explodieren...... meine Beine wurden schlagartig weich, ich bekam keine Luft mehr......ich begann zu zittern ohne Ende.... ich schaute mich suchend und verwundert um... Meine Kollegin bemerkte es irgendwie und fragte ganz erschrocken: " Meine Güte, was hast du denn jetzt, was ist los??? Was ist denn jetzt passiert??? Geht’s Dir nicht gut, sag doch, was ist los Merlin...?" Ich musste mich sammeln, bis ich fähig war etwas zu erwidern. " Oh Mensch, mein Auto... Das glaubt doch keiner, mein Auto ist weg!!!  Einfach WEG!!!! Jemand hat mein Auto gestohlen...Oh nein...mein schööööönes Auto...einfach weg!!! Ich glaub es nicht, das gibt’s doch nicht! Was soll ich machen ...??? Mensch MEIN Auto so eine Schei.........wie wild tobten die Gedanken in meinem Kopf durcheinander. „Oh du glaubst es nicht“, rief ich meiner Kollegin aufgeregt zu...... „weg..... sieh doch..... es ist weg...."
" Bleib doch erst mal ruhig, lass uns gucken..." meinte meine Kollegin, doch ich hörte sie gar nicht mehr." Polizei ..... ich muss die Polizei rufen.... MEIN Auto...weg ist es....." Mit diesen Worten ließ ich sie einfach stehen und rannte zurück zum Geschäft. Ich lief hinter das Haus, mein Chef war längst wieder Zu Hause, er meldete sich nachmittags kurz im Geschäft zurück. In vollster Panik, wie noch nie zuvor erlebt, klingelte ich Sturm an seiner Haustüre. Ich konnte kaum richtig Luft holen, so sehr war ich geschockt...mein schönes Auto... geklaut, das waren meine einzigen Gedanken. Als mein Chef die Tür öffnete sah er mich verwundert und mit großen Augen an und fragte:" Sie??? Was ist denn mit Ihnen los??? Sie sind ja kreidebleich, was ist denn nur passiert? Sind sie etwa überfallen worden???"
" Ich muss sofort die Polizei anrufen......mein Auto...... es ist weg..... jemand hat mein Auto geklaut...!!!" Mein Chef schaute mich plötzlich äußerst irritiert an und blickte lässig zur Seite und meinte dabei noch etwas mehr verwundert und  mit langgezogenen Worten: " Ist das nicht ihr Auto?"
Ohhhh neeeee!!! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Das war jetzt mehr als nur peinlich! Natürlich war das mein Auto! Und plötzlich fiel es mir wieder ein: Ich hatte ja hier geparkt, weil mein gewohnter Parkplatz besetzt war. Nun stand ich direkt neben meinem Auto und hatte es in meiner Panik, ob des vermuteten Diebstahls, gar nicht wahrgenommen, das es mein Auto ist......Wirklich, voll peinlich..... ...könnte ich jetzt nur in der Erde versinken, dachte ich: Mensch, mein Chef denkt jetzt bestimmt, dass ich eine Schraube locker habe! Ohhhh.....lieber Gott, bitte.........mach irgendwas...lass das alles nicht wahr sein........peinlich...so peinlich... Mein Chef schüttelte sehr genervt mit dem Kopf und schloss mir, ohne Kommentar, die Tür vor der Nase zu. Sicherlich glaubte er, ich wollte ihn veräppeln.
Ehrlich gesagt, ich weiß heute nicht mehr, was damals für mich schlimmer war, das Gefühl der Peinlichkeit meines Chefs gegenüber oder der erlebte Schock. Niemand kann wohl ahnen, wie es damals in mir aussah. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können wegen meiner Dummheit. Zitternd stieg ich in mein Auto und bin irgendwie nach Hause gefahren. Zum Glück hatte ich einen guten Zuhörer in meinem Mann, denn dieses dumme Erlebnis musste ich schnellstens los werden. Mein Mann und ich konnten später aber trotz allem, immer wieder über dieses, im Nachhinein, irgendwie lustige Missgeschick, lachen - obwohl es mir äußerst peinlich war, das darf man mir wirklich glauben! So etwas will ich nie wieder erleben. Ich träumte noch viele Nächte lang von meinem "gestohlenem" Auto und erwachte immer schweißgebadet aus diesen Albträumen.
 
In diesem Sinne
herzlichst Merlin
 
 
 
 
 
 
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